Tobias Merckle ist geschäftsführender Vorstand von Seehaus e.V. in Leonberg, einem gemeinnützigen Verein, der im Bereich der Jugendhilfe, Kriminalprävention und Opferhilfe tätig ist. 2013 errichtete Tobias Merckle in Leonberg die Hoffnungsträger Stiftung, die innerhalb von zehn Jahren bereits 30 Hoffnungshäuser in Baden-Württemberg bauen konnte. Im Juni 2021 kam mit der Sinngeber gGmbH ein philantropisches Multi-Family Office dazu, das von Hamburg aus beratend tätig ist. Im Interview mit Gudrun Binz-Fietkau berichtet Tobias Merckle von seinem Engagement.
Herr Merckle, mit Ihrer Hoffnungsträger Stiftung haben Sie 2022 das 30. Hoffnungshaus eröffnet, in dem Flüchtlinge und Deutsche gemeinsam wohnen. Warum ist Ihnen dieses Projekt eine Herzensangelegenheit?
Tobias Merckle: Man kann politisch unterschiedlicher Meinung sein, ob, warum und wie viele Flüchtlinge man ins Land lässt. Klar ist aber: Für alle Geflüchteten, die schon hier sind, haben wir eine Verantwortung, der wir uns stellen müssen. Mit den Hoffnungshäusern haben wir eine Form des integrativen Wohnens geschaffen: Die Hälfte der Bewohner sind einheimische Familien, die andere Hälfte Flüchtlinge. Denn Integration kann nur durch gute Gemeinschaft gelingen.
Hatten Sie diese Projekte bei der Gründung der Hoffnungsträger Stiftung 2013 schon im Kopf?
Tobias Merckle: Nein. Ursprünglich wollten wir als reine Förderstiftung andere Projekte unterstützen und zugleich eine Plattform schaffen für Unternehmer und andere Menschen, die sich engagieren wollen. Angesichts der Flüchtlingsproblematik konnten wir allerdings kein Projekt finden, dass unseren Vorstellungen gerecht wurde. So sind wir doch operativ tätig geworden. Den Gedanken der Plattform für Unternehmer und andere Menschen, die sich sinnvoll sozial engagieren wollen, haben wir im Sommer 2021 mit der Sinngeber gGmbH – ein philantropisches Multi-Family Office – umgesetzt.
Tobias Merckle, 2. v. r.
Bereits seit 2003 leiten Sie den Verein Seehaus, der straffälligen Jugendlichen eine Alternative zum geschlossenen und offenen Strafvollzug bietet. Wie hängen Seehaus und die Hoffnungsträger zusammen?
Tobias Merckle: Rechtlich sind Seehaus und Hoffnungsträger zwei getrennte Organisationen, aber inhaltlich arbeiten beide eng zusammen. Wir haben mit Seehaus viele Erfahrungen und ein umfangreiches Netzwerk im Bereich Straffälligen- und Opferhilfe. Die können wir auch in die Arbeit mit Geflüchteten bei Hoffnungsträger einbringen, etwa in der Opfer- und Traumaberatung. Außerdem vermittelt die Stiftung Patenschaften für Kinder von Strafgefangenen in Entwicklungsländern. Das ist wichtig, denn wenn etwa der Vater im Gefängnis ist, fehlt den Familien oft die Lebensgrundlage: Dann besteht die Gefahr, dass die Kinder gesellschaftlich ausgegrenzt und womöglich selbst kriminell werden. Seehaus ist Mitglied bei Prison Fellowship International und hat Partnerorganisationen in vielen Ländern. Diese etablierten Strukturen können wir seitens der Stiftung nutzen und so besonders effektiv helfen.
Sie sind als Sozialpädagoge und Stifter außerhalb des Unternehmens Ihrer Familie tätig. War das ein bewusster Akt der Abgrenzung?
Tobias Merckle: Nein, es ging nicht darum, irgendeine Verbindung zu kappen, im Gegenteil. Ich sehe mich durchaus in der Tradition der Familie: Ich bin auch unternehmerisch tätig, nur eben in einem anderen Bereich.
Gudrun Binz-Fietkau: „Wie bereits nach der Herbsttagung im November 2022 versprochen, habe ich bei diesem Interview mit Tobias Merckle noch tiefere Einblicke in seine Arbeit erhalten. Dafür danke ich ganz herzlich! Und empfehle das Buch von Tobias Merckle „Jeder verdient eine zweite Chance“ mit Hoffnungsgeschichten aus unterschiedlichen Ländern zur Lektüre.“
Zur Person: Tobias Merckle ist Sozialpädagoge und geschäftsführender Vorstand des 2003 gegründeten Seehaus e.V. in Leonberg mit aktuell 130 Mitarbeitern. 2013 errichtete er die Hoffnungsträger Stiftung, die heute 80 Mitarbeiter beschäftigt. Merckle ist eins der vier Kinder von ratiopharm-Gründer Adolf Merckle. Er ist im Familienbeirat sowie Mitglied im Aufsichtsrat von Heidelberg Cement.
Weiterführrende Links:
Startseite – Hoffnungsträger (hoffnungstraeger.de)
Das Buch „Jeder verdient eine zweite Chance“ kann hier online bestellt werden
