Im Zentrum des World Cafés im Stuttgarter Non-Profit-Forum am 25.10.2018 stand das Thema Organisation, das aus drei Perspektiven vertieft wurde:

Wie steht es um die Menschen in NPOs? Wie leicht können sie gewonnen werden, was motiviert sie, wie wollen und können sie geführt werden? Ist Führung eine zentrale Rolle oder ist sie dezentral verteilt? Dr. Martin Rost moderierte diesen Tisch.

Wie genau sehen die Strukturen aus – und wie weit unter­scheiden sie sich von kommerziellen Organisationen? Wie steht es um das Selbstverständnis und die Traditionen von NPOs – und wie können daraus eventuell weitere Ent­icklungen entstehen? Prof. Dr. Sandra Fietkau moderierte diesen Tisch.
Welche Außenbeziehungen pflegen NPOs und wie machen sie das? Lässt sich die Vielfalt der Beziehungen auf einen gemeinsamen Nenner zusammenführen oder braucht es künftig spezialisierte „Kooperationsmanager“, die ähnlich wie Agenturen, diesen Service für NPOs erbringen? Alexander Haberer moderierte diesen Tisch.

Bei der sehr intensiven und engagierten, vielfältigen Diskussion in 3 Runden entstanden nicht nur neue Kontakte und Berührungspunkte, wie wir es unter der Überschrift „Forum“ erhofft hatten, sondern auch noch zahlreiche andere Inhalte, von denen die Tischpaten berichten:

HUMANKAPITAL UND FÜHRUNG
Am Tisch mit dem Thema „Humankapital“ wurde schwerpunkt­mäßig über das Thema Führungskompetenz gesprochen. Das Humankapital einer Organisation setzt sich aus den Fähigkeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen. Diese Fähigkeiten können in Fach­kompetenzen, Sozialkompetenzen, Mitarbeiter­motivation, Führungskompetenz und Kreativität eingeteilt werden. Als Ergebnis der drei Diskussionsrunden kann das Verhalten einer „guten“ Führungskraft in Non-Profit-Organisationen folgendermaßen zusammengefasst werden: Eine gute Führungskraft nutzt die Potenziale ihrer Mitarbeiter, gibt ihnen Freiraum zur Entfaltung, bezieht Teammitglieder in den Führungsprozess mit ein, lässt ihnen ausreichend Fürsorge zukommen und stellt die Werte der Organisation in den Mittelpunkt.

Im Folgenden werden die zentralen Punkte dieser Definition ausgeführt:

Eine gute Führungskraft in Non-Profit-Organisationen stellt die Wertebasis der Organisation in den Mittelpunkt ihres Handelns. Insbesondere ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können nur gewonnen und gehalten werden, wenn die Tätigkeit sinnstiftend ist und die Zusammenarbeit in der Organisation Freude bereitet. Zudem lässt eine gute Führungskraft ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Fürsorge zukommen. Die Fürsorge für die oder den Einzelnen kann allerdings auch mit der Fürsorge für das Team oder die Organisation im Konflikt stehen. Eine gute Führungskraft findet dafür eine angemessene Balance.
Gute Führungskräfte in Non-Profit-Organisationen können Führungsaufgaben teilen. Dabei beziehen sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend ihren Fähig­keiten und Beiträgen zur Organisation in den Führungsprozess mit ein. Tea­mitglieder übernehmen für bestimmte Bereiche selbstständig Verantwortung.
Gute Führungskräfte vertrauen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und geben Freiräume zur eigenständigen Gestaltung, zum Experimentieren und zum Lernen. Zugleich setzen sie aber auch „Leitplanken“, die den Handlungsspielraum für die Organisationsmitglieder festlegen und dadurch Orientierung geben.
Gute Führungskräfte tragen dazu bei, dass die in der Non-Profit-Organisation arbeitenden Personen ihr Potenzial entfalten und eine zu ihnen passende Aufgabe finden. Dazu gehört auch, dass sie wertschätzend aber offen ansprechen, wenn eine Aufgabe oder Funktion nicht zu einer Person passt.

STRUKTUREN UND KULTUR
Am Tisch zu Organisationskulturen und dem Strukturkapital von Non-Profit-Organisationen wurde intensiv über die Fragen diskutiert, was Organisationskulturen ausmacht und wie es möglich sein könnte, zukunftsträchtige Werte und Strukturen zu schaffen. Zunächst ging es in der Diskussion um eine Analyse der Ist-Situation: Viele Organisationen haben flache Strukturen, zum Teil auch schon bedingt durch die geringe Zahl hauptamtlicher Mitarbeitenden. Diese „dünne Personaldecke“ führt dann eventuell zu „Flaschenhälsen“, da Einzelpersonen viel Entscheidungsbefugnisse haben und Schnittstellen an einigen wenigen Stellen zusammen­laufen. Wichtig war den Diskutierenden, dass generell Strukturen den Menschen dienen sollen und nicht umgekehrt. Dabei braucht es passende Strukturen, die zum Ziel oder Commitment der Organisation passen und somit an Motivationen der Organisation ausgerichtet sind. In manchen Fällen kann ein „hochmotiviertes Engagement mit Herzblut“ allerdings auch dazu führen, dass die Strukturen nicht eingehalten werden, was zu Abgrenzungs-Problematiken führen kann. Ebenfalls gibt es in Organisationen auch informelle Strukturen, die nicht identisch zu offiziellen Strukturen verlaufen und oft auch zu Macht-Fragen führen. In Summe braucht es klare, transparente Strukturen, die auch gut kommuniziert werden.

Non-Profit-Organisationen arbeiten oft in einem Mix aus haupt- und ehrenamtlich Tätigen, was für Strukturen ebenfalls heraus­fordernd sein kann, gerade auch im Hinblick auf Schnittstellen oder Wissenstransfer. Das Angewiesen sein auf Ehrenamtliche führt in der Praxis teilweise zum Aussterben von Strukturen, beispielsweise von Vereinen, weil niemand mehr bereit ist, diese Aufgaben zu übernehmen. Daraus entstehen Heraus­forderungen, eventuell auch verbunden mit der Frage, ob Strukturen erhalten bleiben müssen oder ob „man sich von Altem verabschieden sollte“.

Die gerade im sozialen Bereich stark forcierte Professionalisierung und Ökonomisierung geht vieler Orts zu Lasten der Qualität einer Dienstleistung. Mitarbeitende, die mit Herzblut dabei sind, werden durch Verwaltungs-, Dokumentations- oder andere Aufgaben zeitlich stark eingebunden, so dass sie für ihre eigentlichen Aufgaben wenig Zeit haben. Hierbei könnte die Weiterentwicklung der Arbeitswelt einen Vorteil bieten, wenn beispiels­weise durch Digitalisierung Verwaltungsaufgaben automatisiert werden – und den Mitarbeitenden somit mehr Zeit bleibt für die eigentliche Arbeit mit und für Menschen.

Ein weiteres Zukunftsmodell für Wandel und Weiterentwicklung besteht eventuell auch in Strukturen, welche durch Mitarbeitende flexibel mitgestaltet werden können, um so Engagement und Einflussmöglichkeiten zu vergrößern. Dadurch könnten flexible Arbeitsmodelle und individuelle Arbeitszeiten erleichtert werden. In Summe war es an unserem Tisch eine lebhafte und intensive Diskussion, die auf jeden Fall noch hätte weitergeführt werden können und viele interessante Anknüpfungspunkte für die Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen bietet.

 

NETZWERKE UND BEZIEHUNGEN
Am Tisch mit dem Thema „Beziehungsnetze“ wurde zuerst über die zunehmende Komplexität von Beziehungsnetzen im Zeitalter des Internet und der Informationsgesellschaft gesprochen. Auffällig war bei der Diskussion, dass die Teilnehmer/innen sich ähnliche Grundfragen im Umgang mit ihren Beziehungsnetzen stellten. Für einzelne Fragen wurden bereits Lösungsansätze formuliert. Aufgrund der Komplexität und der Quantität der unterschiedlichen Netzwerke verfügen die meisten anwesenden NPOs noch über kein Gesamtkonzept in der Arbeit mit Beziehungsnetzen. Folgende wichtigen Fragen wurden aufgeworfen:

Welche sind die wichtigen Beziehungsnetze von NPOs?
Wer sind die Stakeholder der NPO mit Blick auf meine Beziehungsnetze (Ehrenamtliche, Mitglieder, Bürger, Spender etc.)?
An welchen Netzwerken sollte sich das NPO aktiv oder passiv beteiligen?
Welche Ziele habe ich oder mein Unternehmen in Beziehungsnetzwerken und wie kann ich diese erreichen?
Welche Form der Kommunikation sollten NPOs für die einzelnen Beziehungsnetze wählen?
Sollten alle Kommunikationsformen (Social Media, Zeitschriften, Presse, Veranstaltungen) durch NPOs gleichermaßen bedient werden?
Wie adressiert eine NPO in großen Netzwerken wichtige Informationen?
Wie schaffe ich es, verbindliche, wertvolle und lebende Netzwerke aufzubauen?
Diesen Herausforderungen begegneten die Teilnehmer/innen mit Maßnahmen, welche die Komplexität der Materie reduzieren. Mit Hilfe von Stakeholderanalysen und Spezialisierungen im Unternehmen, Bereitstellen von Ressourcen und Verteilung von Verantwortlichkeiten auf Ehrenamtliche und Mitarbeiter versuchen die NPOs die Beziehungsnetze und ihr Vorgehen in diesen zu strukturieren und in Teilen zu standardisieren.

Die Beteiligten am Tisch glauben, dass es wichtig ist, die Vision des jeweiligen NPO in das Beziehungsnetz zu tragen, um so dem Netzwerk Wertschätzung, Identität, Gemeinschaft und Antrieb zu geben. Sie sind der Auffassung, dass dabei alle gängigen Medien von den NPOs bedient werden müssen, um die Netzwerke regelmäßig zu erneuern und so einen langsamen Tod von wichtigen Netzwerken zu verhindern. Darüber hinaus möchten sie ihre Netzwerkarbeit professionalisieren und prüfen, ob hier durch externe Dienstleister professionelle Angebote verfügbar sind.

Als letzten Gedanken wurde die Idee formuliert, ob die Mitarbeiter als auch die Mitglieder, Kunden und Ehrenamtliche einer NPO nicht mit einem klaren Auftrag und Hilfsmitteln als erste Brückenbauer für Beziehungsnetze eingesetzt werden sollen, sodass Netzwerkarbeit nicht immer nur von Leitungskräften initialisiert und gepflegt werden muss.

Zusammenfassend zeigt sich, dass Wissen und immaterielle Erfolgsfaktoren in NPOs mindestens genauso wichtig sind wie in kommerziellen Organisationen, die systematische Pflege und Entwicklung aber noch nicht so ausreichend gegeben ist, wie sich das die Akteure wünschen. Als ein nächster Schritt bietet es sich daher an, hier noch mehr Transparenz zu schaffen und neue Lösungen zu suchen.