Die Mitgliedschaft in einem Verein scheint etwas aus der Zeit gefallen. Doch ist dem wirklich so, oder kommt sie nur in einem neuen Gewand daher? Flexible Formen der Bindung an den Verein haben Konjunktur. Sie passen besser in den Lebensalltag der Menschen.

von Matthias Daberstiel

Die erste Frage ist: Wollen sich Menschen binden? Die Antwort ist immer noch: Ja. Aber sie binden sich schon immer an Themen, die von Marken oder zumindest bekannten Vereinen vor Ort besetzt werden. Das kann das Thema Naturschutz beim WWF, das Thema Klimaschutz bei Fridays for Future oder das Thema Heimatliebe beim örtlichen Heimatverein sein. Was sie aber immer noch tun: Sie folgen inspirierenden Menschen. Heute bekannt als Influencer, früher als Testimonials, und, noch immer gültig, zum Beispiel Vereinsvorsitzende oder Schirmherrinnen.

 

Stufen zu Touchpoints

Früher ging man davon aus, dass die Leiter des Engagements mit Aufmerksamkeit für ein Thema beginnt und über erste Kontakte zu Vereinen dann zu Spenden, ehrenamtlicher Beteiligung und später auch zu einer Mitgliedschaft führt. Schon da hatte die Leiter viele Streben, die man gemeinsam mit seinen Unterstützern erklomm und mit jeder Stufe wurde die Loyalität größer. Heute hat dieses System immer noch bestand, aber die Zahl der Kontakte innerhalb der Stufen wird immer größer: die sogenannten Touchpoints.
In der digitalen Welt sind wir mittlerweile so vielen Touchpoints ausgesetzt, dass wir oft nicht einmal bewusst wahrnehmen, von wem sie adressiert sind. Heute sprechen wir von einer Donor Journey, die sich von der Customer Journey ableitet. Diese enthält enorm viele Touchpoints, also Ereignisse, bei denen potenzielle Unterstützerinnen und Unterstützer den Verein und seine Themen kennenlernen. In einer digitalen Welt findet das auf elektronischem Weg statt. Ein Fest für E-Mail-Automation und Newsletter-Versandsysteme. Doch ohne Plan und Strategie wird das nichts und man läuft Gefahr, als E-Mail-Bomber eher negativ aufzufallen. Viel hilft nicht viel.

 

Mitgliedschaft als Abo?

Doch wollen Menschen sich noch binden? Wollen sie eigentlich treu sein, wenn man doch täglich Alternativen findet? Eine europäische Studie von Deloitte von 2022 ergab, das sogenannte Abo-Modelle aktuell hoch im Kurs stehen. Und ein Abo ist mit einer Mitgliedschaft nah verwandt. Doch entgegen dem Mythos, dass man sich für ein Abo-Modell aus Verbundenheit und Komfort entscheidet, ergab die Studie, dass sich heutige Konsumenten ganz klar wegen wirtschaftlicher Vorteile für solche Modelle interessieren. Spannend ist auch, dass 39 Prozent der älteren Verbraucherinnen und Verbraucher, die sogenannten Babyboomer ab 57 Jahren, Abo-Modelle grundsätzlich ablehnen. Im Altersschnitt sind dies nur 21 Prozent.

Diese Ergebnisse zeigen, dass sich Vereine und Verbände auch auf die zweite Seite der Mitgliederloyalität besinnen müssen: den intrinsischen Wert eines Vereins. Ein Verein heißt so, weil man dort etwas vereint tut. Doch Vereine beklagen zunehmend eine Konsumentenhaltung bei ihren Mitgliedern. Man wird wie ein Abo-Modell behandelt, und das ist, wie beschrieben, auf Leistungen ausgerichtet. Daran sind die Vereine aber meist selbst schuld, weil sie eine Mitgliedschaft ausschließlich mit „Vereinsprodukten“ bewerben: kostenloser Eintritt ins Museum oder günstiger Einkauf bei Vereinspartnern sind nur zwei Beispiele. Dabei spielt die Mission für die gemeinsame Verbindung im Verein und die Vereinskultur die viel größere Rolle. Eine persönliche Geburtstagskarte an Mitglieder wirkt Wunder für die Loyalität, eine herzlich gestaltete Weihnachtsfeier für Interessenten ebenfalls – übrigens auch alles Touchpoints. Und zwar enorm effiziente und nachhaltige. Denn das persönliche Gespräch ist immer noch der beste Weg zur gesteigerten Loyalität und auch zur Mitgliedschaft.

 

Flexible Mitgliedschaft bevorzugt

Insofern wundert es nicht, dass Modelle, die interessierte Menschen an Vereine binden, aber noch keine Mitgliedschaft bedeuten, zunehmen. Es muss halt in die Lebensplanung passen. Community-Building in sozialen Netzwerken, thematische Newsletter-Abos, Giving Circles oder nur regelmäßige Einladungen zu Events gehören genauso dazu wie Spenden-Abo-Modelle.

So führte der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. eine Förderspende ein. Es handelt sich um nichts anderes als eine Lastschrift-Spende, aber jederzeit anpassbar und so flexibler als eine starre Mitgliedschaft. Es wurde ein Erfolg. Die Anzahl der Förderspenderinnen und-spender stieg deutlich schneller an, als die der Mitglieder. Die Leiter des Engagements funktioniert also noch und jeder Verein ist gut beraten, sich spannende Stufen und Touchpoints einfallen zu lassen, die Menschen für den Verein begeistern und flexibel binden.

 

Der Beitrag erschien in Ausgabe 4-2023 des Fundraising-Magazins, www.fundraising-magazin.de